Rolle des Mikrobioms beim kolorektalen Karzinom und der chirurgischen Therapie

Verantwortliche Personen:
AG Flemming – Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Kinder- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Würzburg

Dieses Projekt wurde 2023 von der Stiftung "Forschung hilft" mit 12.500 Euro gefördert.

PD Dr. med. Sven Flemming

 

Team

 

Das Team setzt sich aus erfahrenen Kliniker*innen, Clinician Scientists, Grundlagenwissenschaftler*innen, Studienärzten und Study Nurses zusammen. Koordiniert wird das Projekt durch PD Dr. med. Sven Flemming, Leiter der kolorektalen robotischen Chirurgie und stellvertretender Leiter der Koloproktologie. 

Abbildung 1: Beziehung und Zusammenspiel des intestinalen Mikrobioms und der Pathogenese des kolorektalen Karzinoms. Aus Kim J and Lee HK (2022) Potential Role of the Gut Microbiome In Colorectal Cancer Progression. Front. Immunol. 12:807648

Motivation und Innovation

 

In den letzten Jahren gibt es eine wachsende Evidenz, dass das intestinale Mikrobiom eine wichtige Rolle in der Pathogenese und Krankheitsprogression des kolorektalen Karzinoms einnimmt (Abbildung 1). Das kolorektale Karzinom ist sowohl beim weiblichen als auch beim männlichen Geschlecht die zweithäufigste maligne Erkrankung und hat somit eine hohe medizinisch-chirurgische als auch sozioökonomische Bedeutung. 

Die chirurgische Tumorresektion nimmt neben der perioperativen medikamentösen-onkologischen Therapie eine zentrale Rolle in der kurativen Therapie des kolorektalen Karzinoms ein. Ein wichtiger Schritt im Rahmen der chirurgisch-onkologischen Therapie ist nach der Tumorresektion die intestinale Wundheilung, im speziellen die Anastomosenheilung. Eine insuffiziente Anastomosenheilung kann schwerwiegende Folgen für die/den betroffene/n Patienten/in haben, die je nach Ausprägungsgrad der Insuffizienz variieren. Hierbei sind Krankheitsverläufe mit Ausbildung einer pelvinen oder gar abdominellen Sepsis mit Notwendigkeit der Re-Operation zur Auflösung der Anastomose und Anlage eines permanenten Stomas sowie einer intensivmedizinischen Therapie möglich. Daneben verursacht die mit einer Anastomoseninsuffizienz verbundenen erhöhten Morbidität und Mortalität letztlich auch eine signifikant verschlechterte onkologische Prognose, da oftmals die notwendige adjuvante (postoperative) medikamentöse Tumortherapie nicht durchführbar ist. 

Auch wenn es bisher nur wenige Forschungsansätze diesbezüglich gibt, konnte in den wenigen grundlagenwissenschaftlichen Arbeiten zusammenfassend gezeigt werden, dass durch die lokale Stressreaktion des Gewebes nach chirurgischer Resektion und Re-Anastomosierung unter bestimmten Umständen (z.B. Tumorgröße, Operationszeit, Blutverlust, etc.) Signalmoleküle ausgeschüttet werden, die bei bestimmten Bakterienstämmen des intestinalen Mikrobioms zu einer Veränderung des Phänotyps führen, der charakterisiert ist durch eine hohe Kollagenase-Aktivität. Dadurch kommt es zu einer verschlechterten intestinalen Wundheilung mit dem Ergebnis der Anastomoseninsuffizienz (Abbildung 2). 

Erste klinische Daten zum Einfluss des Mikrobioms auf die Anastomosenheilung zeigen, dass Patienten mit einer herabgesetzten intestinalen mikrobiellen Diversität und einem vermehrten Aufkommen der Muzin-abbauenden Bakterienstämme Lachnospiraceae und Bacteroidaceae ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer postoperativen Anastomosenleckage haben. Die mechanistischen Prozesse wurden jedoch nicht weiter adressiert; stattdessen warben die Autoren dieser Arbeiten für weitere Studien zur Evaluierung der Pathophysiologie der intestinalen postoperativen Wundheilung im Zusammenspiel mit dem Mikrobiom beim kolorektalen Karzinom. 

Auf Grundlage des hier geschilderten Sachverhaltes und der gegebenen Expertise in der kolorektalen Chirurgie sowie in der Grundlagenwissenschaft zur Regulation der intestinalen Barriere (Intestinale Barrierestörung und Wundheilung) haben wir die Motivation zusammen mit dem Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung in Würzburg die bisherige Evidenz auszubauen und neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie zum Mikrobiom und kolorektalem Karzinom zu generieren. 

Abbildung 2: Mikrobielle Pathogenese der postoperativen Anastomoseninsuffizienz nach onkologischer Resektion beim kolorektalen Karzinom. Aus Guyton, K. and J. C. Alverdy (2017). "The gut microbiota and gastrointestinal surgery." Nat Rev Gastroenterol Hepatol 14(1): 43-54.

Welche Ziele verfolgt das Projekt?

 

In Kooperation mit dem Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung in Würzburg werden folgende Fragestellungen adressiert:

  • Evaluation des intestinalen Mikrobioms bei Patienten*innen mit malignen und benignen kolorektalen Erkrankungen.
  • Evaluation des intestinalen Mikrobioms und potentielle Veränderungen während der perioperativen (Radio-)Chemotherapie.
  • Evaluation des intestinalen Mikrobioms als potentielle Risikofaktor für das Auftreten einer postoperativen Anastomoseninsuffizienz nach kolorektaler Chirurgie, wobei es bei Patienten/Patientinnen mit einer Anastomoseninsuffizienz zu einem vermehrten Auftreten von Kollagenase-aktiven Bakterienstämmen kommt.
  • Evaluation des intestinalen Mikrobioms und Auftreten von Kollagenase-aktiven Bakterienstämmen in Abhängigkeit der Operationsmethode (offen vs. konventionell-laparoskopisch vs. robotisch-assistiert).

 

Als zentrale Methode wird hierbei die duale RNA-Sequenzierung genutzt. Die duale RNA-Sequenzierung („Dual RNA-seq“) ermöglicht die simultane Genexpressionsanalyse des Krankheitserregers und des Wirtes während einer Infektion. Diese neuartige Technik hat dazu beigetragen, neue Erkenntnisse über nicht-kodierende RNAs und RNA-Bindeproteine im Rahmen der bakteriellen Virulenz und der humanen Immunantwort zu gewinnen. Da sich die Virulenzmechanismen pathogener Bakterien häufig erst im Zusammenspiel mit der Mikrobiota zeigen, ist eine isolierte Genexpressionsanalyse von Wirt und Pathogen nicht ausreichend. 

Durch dieses translationale wissenschaftliche Kooperation werden ganz neuartige Ergebnisse in der Pathophysiologie der Anastomosenheilung erwartet. Bisher werden hier Patienten eingeschlossen, die entweder eine offene oder konventionell-laparoskopische Rektumresektion erhalten. Wie oben erwähnt, spielt jedoch auch das operative Trauma eine entscheidende Rolle in der Veränderung des intestinalen Mikrobioms. Erste klinische Ergebnisse aus Dänemark und aus unserer Arbeitsgruppe belegen jedoch, dass die postoperative Inflammation nach Robotik vermindert ist. Daher ist es von großem Interesse, ob die robotisch-assistierte Chirurgie hier einen potentiellen signifikanten Einfluss auf das Patientenoutcome und die Veränderung des Mikrobioms hat und somit schlussendlich auch zu einem verbesserten onkologischen Ergebnis führt.  

Ein entsprechendes Ethikvotum für die Durchführung der prä- und postoperativen Probengewinnung liegt durch die Ethikkommission der Universität Würzburg vor. 

Ansatz des Forschungsprojektes

 

Es handelt sich hier um einen explorativen Forschungsansatz.

Welche Krebserkrankung soll behandelt werden?

 

Kolorektales Karzinom.

Warum soll das Forschungsprojekt unterstützt werden?

 

Das kolorektale Karzinom ist weiterhin eines der häufigsten Tumorerkrankungen in Deutschland, das jedoch durch die Chirurgie einen kurativen Ansatz hat. Trotzdem geht diese Therapie mit einer gewissen Morbidität ein, die durch eine gestörte intestinale Wundheilung getrieben wird. So ist das Auftreten von Anastomoseninsuffizienzen im Rahmen der kolorektalen Chirurgie trotz des technisch-medizinischen Fortschritts und der stetigen Verbesserung von chirurgischen Techniken sowie des perioperativen Managements eine gefürchtete und schwerwiegende Komplikation, die mit einer signifikant erhöhten Morbidität und Mortalität einhergeht. 

Das hier genannte Forschungsprojekt soll dazu beitragen, dass potentielle Risikopatienten anhand ihres Mikrobioms perioperativ identifiziert werden können und entsprechende Therapien eingeleitet werden können, um das onkologisch-operative Ergebnis und somit das langfristige onkologische Outcome signifikant zu verbessern.

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